Erich Wolfgang Korngolds ‚Die Tote Stadt’ in München
Diese Inszenierung der Oper ‚Die tote Stadt’ entstand im Theater Basel und hatte schon dort mehr als einen Achtungserfolg. Die beziehungsfokussierte Regie Simon Stones machte aus der Handlung fast einen Thriller. Das Bühnenbild von Ralph Myers war so einfach wie wirkungsvoll; eine Drehbühne, die immer wieder andere Räume bespielte, welche die Gemütszustände der Hauptperson wiederspiegelten. Auch die zeitgenössischen Kostüme von Mel Page, verstärkten diese tiefenpsychologisch angelegte Oper.
Sie basiert auf dem Roman ‚Bruges-la-Morte, von Georges Rodenbach, der den Handlungsort, die im Mittelalter einst pulsierende Handelstadt Brügge als nunmehr vergessenes ‚Schneewittchen’ beschreibt; nämlich als abgelegen, weltfremd, stagnierend und zutiefst langweilig. In dieser Atmosphäre trauert ‚Paul’ um seine an Krebs verstorbene Frau, deren frühere Anwesenheit er krampfhaft konserviert und sich so wiederholt in die Illusion begibt immer noch mit ihr zu leben. Jeder Raum im Haus erinnert an sie; ein Zimmer ist gar ganz mit ihren Photos tapeziert. Ihre Perücke wird für ihn zum unverzichtbaren Totem. ‚Paul’ zieht sich völlig in diese Illusionswelt zurück und wendet sich von der Aussenwelt ab. Sein Freund ‚Frank’ und seine Haushälterin ‚Brigitta’ sind seine einzigen Kontakte. Bis er zufällig der jungen Schauspielerin ‚Marietta’ begegnet, die seiner Frau zum Verwechseln ähnlich sieht. Er versucht sie in die Rolle der Verstorbenen zu zwingen und sie so zu deren Nachfolgerin zu instrumentalisieren. Doch die lebenslustige junge Frau verweigert sich und bringt ihn damit zum Wahnsinn, in dem er sie schliesslich tötet. Oder sich durch diese Tat von der Besessenheit von einer Toten befreit?
Das ursprüngliche Happyend, nämlich durch die Katharsis wieder lebens-und handlungsfähig zu werden, wurden von Korngold und Librettist Paul Schrott (das Pseudonym seines Vaters) verändert. So bleibt zum Schluss der Zuschauer mit seinen Gedanken, Projektionen und Vermutungen allein und somit nicht nur sehr beschäftigt, sondern auch in der ganzen eigenen tiefenpsychologischen Blase verhangen. Eine Oper, aus der man schwer hinausgehen und zum Apéro wechseln kann.
Der 1897 in Brünn geborene Komponist, Pianist und Dirigent galt als Wunderkind. Ein Schüler Alexander von Zemlinskys komponierte er bereits mit 11 Jahren das pantomimische Ballett und wurde zum Liebling der Wiener Hocharistokratie und von dieser auch gefördert. Er schrieb die Oper ‚Die tote Stadt’ mit nur 23 Jahren und landete einen Sensationserfolg. Sie wurde weltweit auf über 80 Bühnen gespielt. Doch seine Opernkarriere erhielt Mitte der 1930ger Jahre einen Bruch als er in die USA emigrieren musste. In Hollywood schrieb er erfolgreich Filmmusiken und bekam dafür zwei Oscars . Nach seiner Rückkehr nach Europa konnte er an seine früheren Erfolge nicht anknüpfen. Seine Oper ‚Die tote Stadt’ allerdings wird gerade in der letzten Zeit immer öfter gespielt.
In München jetzt in besonders brillianter Weise. Einmal durch das meisterliche Dirigat von Kirill Petrenko. Er arbeitet die Stimme jedes Instrumentes einzeln heraus und stellt sie zu einem glasklaren gemeinsamen Klang nebeneinander. Auch bekommt Simon Stones Inszenierung durch die Hauptdarsteller Jonas Kaufmann als Paul und Marlis Petersen als Marietta/ Mariena, eine neue Intensität. Beide identifizieren sich so sehr mit ihren Rollen und vermitteln dies unmittelbar. Man muss ihnen zuschauen, fühlt mit ihnen mit, und wird somit in ein fast unerträgliches Chaos der Gefühle hineingerissen. Verstärkt wird dies noch durch die Musik, die von den beiden Sängern meisterlich interpretiert wird. Speziell die Partie des ‚Paul’, die als eine der schwierigsten im Repertoire gilt. Sie meisterte Jonas Kaufmann furios bis zum Schluss. Auch der junge Schweizer Tenor Rolf Romei hatte dies in Basel getan. Doch Kaufmanns Gesang setzte noch eine Stufe drauf. Verehrer von ihm diskutierten in der Pause sorgenvoll ob seine Stimme wohl bis zum Schluss durchhalte. Sie hielt,- und wie!
Photos der Inszenierung: Bayrische Staatsoper © Wilfried Hösl